Schiebst du dein Glück vor dir her?

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Vor einigen Monaten las ich zum ersten Mal vom Deferred Life Plan (deutsch: aufgeschobener Lebensplan). Mit diesem Begriff beschreibt Randy Komisar die menschliche Neigung, Wünsche auf später zu verschieben. Es ist für uns in Ordnung, dass wir jetzt nicht glücklich sind, solange wir es in der Zukunft sein werden. Darauf arbeiten wir unter allerlei Entbehrungen hin. So verbringen wir mehr Zeit damit, uns auf das vorzubereiten, was wir tun wollen, als damit, es tatsächlich zu tun.

Diesen Gedanken schrieb ich auf, dachte aber er sei ein alter Hut. Schließlich ist längst bekannt, dass viele Menschen ihr Glück auf später verschieben. Die Rente ist das prominenteste Beispiel für „später“. Bei ihr ist eigentlich auch bekannt, dass sie selten glücklicher verläuft als das Arbeitsleben. Wer in die Rente eintritt, fühlt sich in den ersten Wochen befreit, wie in einem Urlaub. Doch dann sinkt die Zufriedenheit der Neu-Rentner auf ihr Normalniveau zurück. Wer schon im Arbeitsleben unzufrieden war, ist es im Rentenalter auch. Kaum ein Rentner macht jene Dinge, die er sich vorgenommen hatte. Menschen stecken in ihren Routinen fest. Das ist nicht neu.

Dennoch scheinen die meisten zu glauben, bei ihnen würde es anders verlaufen. Sie denken immer noch: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Manchmal denke ich es noch selbst. Schließlich wurde ich genauso konditioniert, wie alle anderen. Unser Lebenslauf ist ja so vorgesehen: Jetzt rackern, damit wir später mal glücklich sein können.

Es beginnt in der Grundschule, wo wir Bienchen und gute Noten brauchen, um später aufs Gymnasium zu dürfen. Dort wiederum müssen wir gute Leistung bringen, um Jahre später einen guten Studien- oder Ausbildungsplatz zu finden. Dann lernen wir unter Hochdruck, um einen guten Job zu bekommen. Nach ein paar Jahren schieben wir vielleicht noch den Master hinterher, wenn wir ihn nicht schon sofort gemacht haben. Dann knien wir uns rein für Gehaltserhöhungen, Beförderungen, den nächsten Urlaub und natürlich auch für eine gute Rente. Von der Einschulung bis zur Rente sind es 61 Jahre, in denen wir immer auf ein späteres Glück hinarbeiten. So kann man ein Leben herum bekommen!

Lange Zeit folgte ich diesem Weg – auch noch in der Selbständigkeit! Als ich in meiner eigenen Agentur arbeitete, war mir schon klar, dass ich das nicht ewig machen würde. Dafür mochte ich das Marketing nicht genug. Aber ich sagte mir, mit so einem Unternehmen müsse man erstmal wachsen. Nächstes Jahr würden wir dann Gewinn machen, oder übernächstes, und dann steigern wir das immer weiter. Irgendwann könnte ich mich aus dem Tagesgeschäft rausziehen. Vielleicht wäre dieser Moment noch gekommen, aber er war weit weg und ich glaube nicht mehr daran.

Auch in meinem Umfeld sehe ich diese aufschiebende Haltung. Ein selbständiger Freund spricht von „Aufbauarbeit“, die er jetzt leiste. Er müsse nur noch dieses Jahr ranklotzen, dann wird alles besser. Ich bin gespannt, was er nächstes Jahr sagt.

Ein anderer Freund hat mehr Geld verdient, als er sich noch vor fünf Jahren erträumt hätte. Seine Lebenshaltungskosten sind gering geblieben. Dennoch denkt er: „Wenn ich nur noch Summe X verdienen würde, dann …“. Ein anderer mit ähnlichen „Problemen“ denkt über einen Umzug in die Schweiz nach, um Steuern zu sparen. Dann wäre vielleicht einiges besser.

Oder nehmen wir die Geschichte eines alten Schuldfreundes, den ich zuletzt vor zwei Jahren sah, da er weit weg wohnt und keine Zeit hat. Damals traf ich ihn kurz vor Weihnachten, am frühen Abend. Er hatte genau eine Stunde für mich. Dann musste er wieder bis tief in die Nacht ins Büro. In der Stunde erzählte er mir, wie unglücklich er mit seinem Job sei, aber der nächste Bonus käme bald. Jetzt könne er nicht gehen. Anschließend habe ich nichts mehr gehört. Nicht mal eine SMS. Keine Zeit. Heute arbeitet er immer noch auf den nächsten Bonus hin.

Nicht nur im Beruf schieben wir das Glück vor uns her, auch im Privatleben. Manchmal dachte ich, wenn ich nur die richtige Partnerin fände, wäre vieles besser. Aber wahrscheinlich wäre es das nicht. Mein persönliches Glücksempfinden würde langfristig ziemlich konstant bleiben. Andere mögen denken, wenn sie erst Kinder bekämen, wären sie glücklicher, oder wenn das Kind aus den Windeln raus ist oder zur Schule geht oder die Pubertät hinter sich lässt oder wenn es endlich auszieht. Immer wird später alles besser.

Warum wir unser Glück aufschieben (es aber nicht tun sollten)

Das klingt alles total bescheuert, aber sind wir wirklich so irrational?

Ich glaube, nein.

Wir sind so rational!

Nur der Verstand ermöglicht uns ein Konzept wie später. Dank ihm rennen wir nicht blind jeder Eingebung hinterher, aber wir überschätzen ihn. Der Verstand ist oft kein guter Ratgeber. Zwar will er nur unser Bestes – glücklich sein – aber erst später. Würden wir ausschließlich auf unseren Verstand hören, könnten wir uns eine glückliche Zukunft gut vorstellen, würden sie aber nie erreichen. Deshalb verkehrt sich seine Stärke oft zu einer Schwäche.

Der Grund dafür ist, dass wir uns ständig verschätzen. Wir glauben zu wissen, was uns glücklich macht. Selbst wenn die Erfahrung zeigt, dass wir auf dem Holzweg sind, lässt sich unser Verstand davon nicht beirren. Daniel Gilbert schreibt dazu in „Stumbling on Happiness“:

“Wir erwarten, dass uns das nächste Auto, das nächste Haus oder die nächste Beförderung glücklich machen wird, obwohl es beim letzten Mal nicht der Fall war und obwohl andere sagen, dass es auch beim nächsten Mal nicht so sein wird.“

Wir überschätzen den positiven Einfluss, den ein externes Ereignis auf uns haben wird. Je schwerer es zu erreichen ist, desto mehr Glück erwarten wir von ihm. Dabei sind externe Einflüsse nur Schall und Rauch. Sie kommen und vergehen schnell wieder. Ein neues Auto ist schon alt, sobald man es vom Hof fährt.

Je weiter in der Zukunft das vermeintliche Glück liegt, desto wahrscheinlicher wird es nur noch wenig Freude in uns auslösen, denn wir verändern uns. Derjenige, der in das Haus einzieht, ist nicht mehr der Mensch, der vor zehn Jahren anfing davon zu träumen. Und vor allem machen wir uns nicht bewusst, was ein Ziel alles mit sich bringt.

Ein Bekannter wollte vor seinem 30. Lebensjahr ein Unternehmen gründen, verheiratet sein, Vater werden und ein Haus bauen. Das hat er geschafft. Starke Leistung! Aber: Jetzt hat er den Stress seines Lebens. Er weiß nicht, wo vorne und wo hinten ist und ist für die nächsten 30 Jahre verschuldet. Das Glück kommt vielleicht später, wenn sich alles beruhigt.

Jemand anderes in meinem Umfeld freute sich jahrelang darauf, zeitig in den Ruhestand zu gehen. Da hieß es oft: „Wenn ich nicht mehr arbeiten muss, habe ich Zeit für ….“ Jetzt ist es soweit und nun heißt es: „Ich sollte mir vielleicht noch mal einen Job suchen.“

Hier ist die Wahrheit: Du kannst jahrelang auf dein Glück hinarbeiten, doch wenn du ankommst, bist du schon da. Letztendlich muss man jeden Tag immer noch mit sich selbst verbringen. Nichts wird anders sein, wenn ein großes Ziel erreicht ist. Deine Gedanken, deine Gefühle und deine Zufriedenheit ändern sich nicht. Vermutlich wirst du dann ein neues Ziel setzen, das du noch erreichen willst, um zufrieden zu sein. Du schiebst dein Glück weiter vor dir her – bis es am Ende deines Lebens irgendwann heißt:

„Das war’s.

Die Fahrt endet hier.

Bitte aussteigen.“

Dabei bist du noch gar nicht angekommen.

Im Großen und Ganzen werden wir immer gleich glücklich sein, das zeigen Studien mit Menschen, die Glück oder Pech hatten: Ob wir im Lotto gewinnen oder einen schweren Unfall erleiden – nach einer Weile sind wir wieder genauso zufrieden oder unzufrieden wie vorher.

Glücklicher werden, indem man es schon ist

Neulich las ich irgendwo, der Zweck des Lebens sei, den Moment zu genießen. Das ist alles. Mehr Sinn gibt’s wohl wirklich nicht. Wir versuchen alle, das Beste aus unserem Leben zu machen, denken dabei aber sehr langfristig. Wir verlieren den Moment aus den Augen und erfüllen somit nicht unseren Zweck.

Aber wie lebt man denn jetzt? Das ist gar nicht so leicht. Die meisten von uns sind sehr schlecht darin – mich eingeschlossen – da wir uns ständig von unserem Verstand in die Irre führen lassen. Im Bauchgefühlartikel schrieb ich:

Der Verstand möchte, dass wir später glücklich sind.

Der Bauch hingegen möchte, dass wir jetzt glücklich sind.

Folglich sollten wir unseren Verstand häufiger hinterfragen und mehr auf den Bauch hören. Das ist leichter gesagt, als getan. Dennoch können wir glücklicher im Jetzt leben. Ein paar Ansätze:

1. Wie zufrieden macht der Weg, der zum Ziel führt?

Wahrscheinlich hast du Ziele im Leben. Ich habe jedenfalls gelernt, dass man welche haben sollte. Und ich hatte welche! Ich wollte eine super-profitable Agentur bauen, dann weitere Unternehmen gründen und ganz viel Geld verdienen. So viel, dass ich mir nicht traue, die Zahl hier zu schreiben. Davon hätte ich mir mehrere Ferienhäuser überall auf der Welt leisten können. So wäre später der eine oder andere Kurztrip drin gewesen. Zeitweilig konnte ich mir auch mal einen Sportwagen vorstellen.

Dann kam alles anders. Ich verließ mein Unternehmen, ging auf Weltreise und wachte unterwegs auf: Ich brauche keine Ferienhäuser! Ich kann jederzeit zu einem Kurztrip aufbrechen und mir auf einem sonnigen Fleckchen Erde ab 10 Euro pro Nacht ein Zimmer, einen Bungalow oder für ein paar Euro mehr auch ein Häuschen mieten. Egal, wo. Egal, wann. Auch der Sportwagen war Quatsch. Sollte ich mal einen Porsche fahren wollen, könnte ich ihn jederzeit für ein Wochenende mieten. Aber ich hab’s bis heute nicht getan, denn eigentlich ist mir der Porsche egal!

Solche Ziele habe ich heute nicht mehr. Genau genommen, habe ich fast gar keine Ziele mehr und das ist nicht immer leicht. Denn ohne ein Ziel vor Augen muss ich plötzlich heute glücklich sein und kann mich nicht auf morgen verlassen.

Aber wie soll man heute zufrieden sein, wenn man für morgen noch so viel vorhat? Daher hilft es, die eigenen Ziele zu hinterfragen. Brauche ich die Ziele X, Y und Z wirklich? Werden sie nicht nur immer größer? Bin ich bereit, so viel Aufwand dafür zu investieren? Was würde ich überhaupt mit einer Million Euro machen? Was steckt wirklich hinter meinen Zielen? Will ich nicht eigentlich Liebe und Anerkennung, verstecke dies aber hinter meinem Traum vom Einfamilienhaus?

Das soll nicht heißen, alle Ziele seien sinnlos. Aber damit ein Ziel lohnenswert ist, sollte der Weg dorthin schon Freude bereiten. Es ist wie mit guten Gewohnheiten: Man kann sich die gesündeste Lebensweise vornehmen, aber wenn der Weg dahin keinen Spaß macht, wird man sein Ziel immer mit Qualen verbinden und es nie erreichen. Die Belohnung für eine gesunde Gewohnheit muss deshalb schon in der Gewohnheit selbst stecken.

Eines meiner wenigen Ziele ist, von unserer Arbeit an Healthy Habits leben zu können. Sollten wir dieses Ziel erreichen, werde ich allerdings nicht glücklicher sein, als ich es heute schon bin. Ich bin schon mit dem Weg zufrieden. Ich mag die Themen, ich arbeite gern mit Jasmin zusammen, ich lebe durch Healthy Habits gesünder und ich nehme mir in meinem Arbeitsalltag viele Freiheiten. Das Ziel zu erreichen bedeutet nur, dass ich den Weg beibehalten kann.

Falls du nicht weißt, ob du auf dem richtigen Weg bist oder was du überhaupt willst, hilf dir doch selbst mit einer Frage. Sie ist abgedroschen, ich weiß, aber sie wirkt:

Wenn du nur noch ein Jahr zu leben hättest, was würdest du ändern?

Versetze dich ruhig mal in diese unangenehme Lage. Stell dir vor, du hättest nur noch 365 Tage vor dir. Vermutlich reagiert dein Körper sofort mit Beklemmungen, weil dein Unterbewusstsein – vielleicht auch dein Bewusstsein – weiß, was du jetzt alles ändern müsstest. Da kommt die Angst hoch, ganz viel zu verpassen.

Kürzlich las ich in dem Buch „Das Café am Rande der Welt“ einen klugen Gedanken: Die Angst vor dem Tod ist eigentlich die Angst davor, nicht so gelebt zu haben, wie man es wollte. Wenn man hingegen das macht, was man wirklich machen will, muss man keine Angst mehr haben, es nicht gemacht zu haben.

Auf meiner Weltreise traf ich Laura aus Finnland. Damals war sie seit zehn Jahren überwiegend auf Reisen. Sie sagte, es wäre nicht schlimm, wenn ihr Leben bald vorbei sein sollte, denn sie hat die meiste Zeit getan, was sie tun wollte.

Dauerreisen muss nicht für jeden die Antwort sein. Für mich ist sie das nicht. Aber auch ich würde nichts ändern, wenn ich nur noch ein Jahr hätte. Das heißt nicht, dass ich immer glücklich bin – das ist niemand – aber es bedeutet, dass ich auf einem guten Weg bin, den ich nicht besser gehen könnte. Jasmin sagt von sich das Gleiche.

Also, gib der abgedroschenen Frage mal eine Chance. Dein Bauchgefühl wird sich mit Sicherheit melden und dir zeigen, wie du wirklich leben willst.

2. Mach das Beste aus deinem Weg

Klar, du wirst nicht von heute auf morgen eine neue Richtung einschlagen wollen, nur weil dein Bauch es so will. Wer Teil einer organisierten Gesellschaft ist, kann nicht nur spontanen Eingebungen folgen. Man muss ein paar Regeln befolgen. Aber es gibt nicht nur schwarz und weiß. Dazwischen liegen viele Nuancen. Sie sind die Balance zwischen Wunsch und Realität.

Du musst nicht auf eine große Veränderung warten, von der du nicht abschätzen kannst, ob sie dich wirklich zufrieden machen wird. Belohne dich stattdessen mit vielen kleinen Dingen. Sie habe ohnehin eine größere Wirkung auf dein Wohlbefinden, als ein großes Ding.

Tim Ferris spricht in seinem Buch „Die 4-Stunden-Woche“ von Mini-Renten. Anstatt von der großen Rente mit 67 zu träumen, sollte man sich ihmzufolge immer wieder Auszeiten gönnen. Das kann ein Sabbatical sein, aber auch ein Wochenendausflug oder ein Wellness-Abend in der eigenen Badewanne.

Ich empfehle, sogar noch kleinteiliger zu denken: Mach jeden Tag kleine Dinge, die du wirklich tun willst und bei denen du dich sofort wohlfühlst, nicht erst zwei Jahre später. Ich nehme mir die Zeit dafür, jedenfalls an den meisten Tagen. Auch wenn mir als Selbständiger niemand sagt, was zu tun ist, kenne ich das Gefühl, dass ich noch mehr arbeiten müsste, anstatt mich zu amüsieren. Aber oft setze ich mich über dieses Gefühl hinweg und bin sofort zufrieden, indem ich mir ein Buch schnappe, auf das ich mich freue, oder mir eine Mahlzeit koche, in der Sonne spazieren gehe, eine Serie gucke, Freunde treffe, Fußball spiele oder mir ein Stück Kuchen gönne. So habe ich selten Probleme, am Abend fünf gute Dinge (es waren mal drei) aufzuschreiben, die mir den Tag versüßt haben.

Etwas größere Ziele, deren Horizont jedoch überschaubar bleibt, sind Wochenendausflüge, Konzerte, Lesungen oder Dinner mit Freunden.

Das kann übrigens auch funktionieren, wenn du nicht selbst entscheidest, wie du deine Zeit verbringst. Aus jedem Weg lässt sich das Beste herausholen, indem man sich für die Dinge engagiert, die man tun muss. Es macht einen großen Unterschied, ob ich meinen Job hasse, mich nicht anstrenge und von einem besseren Job träume (ohne ihn zu suchen) oder, ob ich die positiven Seiten suche, mich auf meine Arbeit konzentriere und besser in meinem Job werde. So gut, dass Anerkennung, Gehaltserhöhung & Co. von selbst folgen. Auch in diesem Fall bringt dich der angenehme Weg dem Ziel näher, während dich eine negative Einstellung und das Prinzip „Hoffnung auf später“ in der Situation gefangen halten.

3. Wie realistisch sind deine Erwartungen?

Unsere eigene Erwartungshaltung lässt uns oft unglücklich werden. Wir erwarten, dass uns das teure Einfamilienhaus glücklich machen wird, dass Weihnachten ein Fest der Idylle zu sein hat, dass Arbeit immer Spaß machen muss, dass uns eine Weltreise vergönnt sein sollte, dass wir mehr Geld verdienen müssten, dass uns ein Partner glücklich macht.

Glück = Realität – Erwartung

Doch je mehr wir erwarten, desto unglücklicher werden wir. Unsere Ansprüche sind meist höher, als die Realität leisten kann. Wer beispielsweise glaubt, ein Job müsse immer Spaß machen und einen höheren Sinn erfüllen, wird an diesem Anspruch wahrscheinlich scheitern.

Kürzlich unterhielt ich mich mit jemandem, der wissen wollte, wie es mir gelang, aus meinem alten Leben „auszubrechen“. Er arbeitet auch an eigenen Website-Projekten, ohne jedoch genügend Zeit aufzubringen, um darauf eine Selbständigkeit aufzubauen. Das wurmt ihn. Auf Nachfrage, was denn mit seinem Job nicht stimme, meinte er, der Job sei in Ordnung: Er lernt etwas, hat interessante Kunden, nette Kollegen, verdient genug Geld … aber er wolle halt etwas ändern. Irgendwie hätte er noch höhere Erwartungen, ohne sie genau benennen zu können.

Ich denke, man darf auch einfach mal zufrieden sein, mit dem, was man hat. Denn auch anderswo ist immer irgendwas. Zum Beispiel bei mir. Ich kann so selbstbestimmt arbeiten, wie nur wenige Menschen. Aber ich bin auch nicht mit jedem Aspekt meiner Arbeit glücklich. Als wir Healthy Habits starteten, nahmen wir uns vor, nur Arbeit zu machen, die uns Spaß bereitet. Aber wir haben festgestellt, dass das nicht realistisch war. Wir haben einen tollen Job, aber der bringt auch Aufgaben mit sich, die wir ungern machen. Dafür ist es ein Job und kein Hobby. Es gibt kein Recht auf 100 Prozent Spaß bei der Arbeit.

Das gilt für jeden Lebensbereich. Es gibt auch kein Recht auf ständiges Glück. Stattdessen sollten wir lernen, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben. Ich kann den Herbst hassen und den Anspruch auf ewigen Sommer erheben – oder ich kann mir überlegen, wie ich das Beste aus dem Herbst heraushole: An schönen Tagen gehe ich beispielsweise spazieren und erfreue mich an dem bunten Farbenspiel. Ich bepflanze mir meinen Balkon, sodass es nicht so öde aussieht, wenn ich aus dem Fenster schaue. Drinnen mache ich es mir gemütlich mit indirektem Licht, Kerzen, leiser Musik und einem guten Buch. So viel Ruhe hätte ich an einem heißen Sommertag nicht.

Es ist deine Aufgabe, den Moment zu genießen. Einen anderen Lebenszweck gibt es nicht. Lass nicht alles warten – dein Leben, deinen Partner, deine Freunde, deinen inneren Frieden – um auf das Glück von morgen hinzuarbeiten. Es wird nie kommen, denn auch morgen ist es wieder heute.

Glücklich sein geht nur jetzt – oder gar nicht.


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Foto: Sisyphus von Shutterstock

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