Wann hast du das letzte Mal „da kann man nichts machen“ gesagt? Wahrscheinlich ist das gar nicht so lange her. Und bedeutete es nicht eigentlich: „da will ich nichts machen“?
Oder was ist mit einer der unzähligen anderen Floskeln, in denen wir gern ein „man“ verwenden, um nicht Stellung beziehen zu müssen? Davon gibt es genug und für jede gibt es eine ehrliche Übersetzung:
„Da muss man durch.“
(Übersetzung: Da musst du durch!)
„Man tut was man kann.“
(Übersetzung: Ich habe ein bisschen was getan.)
„Da weiß man, was man hat.“
(Übersetzung: Ich mache alles weiter wie bisher.)
„Man will immer das, was man nicht haben kann.“
(Übersetzung: Ich bin unzufrieden.)
„Man will da nicht reinreden.“
(Übersetzung: Ich werde mich nicht einmischen (würde aber gern).)
„Man gewöhnt sich dran.“
(Übersetzung: Es ist Mist.)
„Da greift man sich an den Kopf.“
(Übersetzung: So ein Idiot!)
„Da fühlt man sich hilflos.“
(Übersetzung: Ich brauche Hilfe.)
„Man weiß ja nie, wen man vor sich hat.“
(Übersetzung: Die Welt ist gefährlich. Ich bin auf alles vorbereitet.)
„Man erzählt sich, dass …“
(Übersetzung: XY hat mir das erzählt und ich erzähle es jetzt weiter.)
„Das macht man dann doch nicht.“
(Übersetzung: Das traue ich mich nicht.)
„So etwas macht man nicht.“
(Übersetzung: Das passt nicht zu meiner Moralvorstellung.)
„Man könnte meinen, dass …“
(Übersetzung: Ich denke, dass …)
„Kann man machen, muss man aber nicht.“
(Übersetzung: Klingt blöd. Mach’s nicht!)
„Man hat immer eine Wahl.“
(Übersetzung: Du musst dich nur mal entscheiden!)
„Wie man so schön sagt …“
(Übersetzung: Ich verstecke mich hinter Floskeln.)
„Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben.“
(Übersetzung: Ich traue meinem Glück nicht. Mir passiert immer etwas Schlechtes.)
Es ist eine der wenigen Dinge, die ich vor zehn Jahren in meiner dualen Ausbildung lernte: Das Wort „man“ sollte ich aus meinem Wortschatz streichen. Denn wer ist „man“?
Ich bin es natürlich selbst, aber ich verstecke mich hinter einer Verallgemeinerung.
Dagegen bin ich bis heute nicht immun. Ich verallgemeinere Aussagen mit „man“, wenn mich ein „ich“ zu viel Überwindung kostet. Aber wenn es mir auffällt, korrigiere ich es. Denn es lohnt sich, Stellung zu beziehen.
Warum Ich-Aussagen besser sind
1. Mit einem „man“ weise ich die Verantwortung für meine Aussagen von mir. Ich beziehe automatisch andere Menschen ein oder suggeriere gar, dass es nicht einmal um mich geht. Ich projiziere mein Problem auf andere. Doch was soll mein Gesprächspartner damit anfangen? Wenn ich echte Reaktionen auf meine Aussagen will, muss ich Verantwortung für das übernehmen, was ich sage. Nur so werde ich ernst genommen.
2. „Da ist man hilflos“ geht mir leichter über die Lippen als „Ich brauche Hilfe!“. So ein Geständnis tut weh. Beim Schreiben geht es mir genauso. Manch einen persönlichen Text musste ich vor der Veröffentlichung von den ganzen „man“-Aussagen befreien. Ich wollte mich selbst schützen – schwäche damit aber auch meine Aussage. Wenn ich jedoch offen sage, was ich fühle, kommt das beim Leser oder Gesprächspartner viel besser an. Im besten Fall bewegt ihn das sogar dazu, sich selbst mehr zu öffnen.
3. Ich fühle mich besser, wenn ich genau das sage, was ich meine, anstatt meine Gefühle zu relativieren. Konflikte kann ich nur bereinigen, wenn ich über mich spreche und was mich bewegt und nicht über eine Abstraktion dessen. So bleibt wenig Spielraum für Interpretation, was jedes Gespräch erleichtert.
Ich würde mich freuen, wenn du darauf achtest, „ich“ zu sagen wenn du dich meinst und mehr Verantwortung für deine Aussagen übernimmst. Es wird dir und deinen Beziehungen guttun, das auszusprechen, was du meinst.
sehr interessant, danke Dir! Ich schätze, daß ich aber auch „man“ sage, wenn ich mein Gegenüber nicht mit der hart formulierten Wahrheit verletzen möchte. Ist das moralisch in Ordnung?
Früher fand ich Freundlichkeit unehrlich. Was ist, wenn ich einen schlechten Tag habe, und freundlich zu Kollegen oder Kunden bin? Dann verstand ich, daß die Höflichkeit – hier vertreten durch Freundlichkeit – ein sinnvolles Mittel ist, den Alltag zu erleichtern. Denn mein Gegenüber ist meist gar nicht an meinem persönlichen Befinden interessiert, sondern will eben nur, daß ich meinen Job mache – reine Geschäftsbeziehung.
Fazit: „Man“ ist bei smalltalk mit Bekannten zuweilen gerechtfertigt. Im persönlichen Gespräch nicht.
Hm, ich weiß nicht, ob ein „man“ eine Botschaft weniger verletzend macht? Vielleicht wird sie sogar verletzender, da du dich hinter ihr versteckst?
kann natürlich sein, wenn man weiterdenkt. Doch wenn ich Allgemeinplätze fallen lasse (normalerweise macht man das so), kann sich der Betreffende ja durchaus entscheiden, ob er das auf sich bezieht (was hat das mit mir zu tun), ob er damit brechen will (gut, aber ich mache das halt anders), oder ob er die Anregung aufgreifen will (danke für den Hinweis, ist ein guter Weg).
ICH freue mich und fühle mich wohl auf dieser Webseite.
Mein Gedanke: Persönliche Fürworte wie Ich, du, er, sie, es, wir, ihr und sie heissen so, weil diese persönlich sind. Man ist in jedem Falle unpersönlich oder nicht spezifisch.
Paul wünscht Jasmin und Patrick frohe Weihnachtstage
Hallo Paul! ICH freue mich sehr über deinen Kommentar. Dein Feedback motiviert uns!
Patrick und ich wünschen dir auch erholsame Festtage!
Den Ausführungen im Artikel kann ich mich voll anschließen, möchte aber zu bedenken geben, daß wir (ich zumindest) diese „man“-Floskel auch (nicht nur) deshalb verwende(n), weil wir/ich uns unserer eigenen Gefühle/Empfindungen oder unseres eigenen Standpunkts nicht ganz sicher sind oder diese/r uns (aufgrund von Oberflächlichkeit?) nicht bewußt ist/sind.
Ich empfinde diese verallgemeindernde „man“-Floskel durchaus als hinderlich im miteinander. Ein guter Freund (unser Rechtsanwalt) macht mich regelmäßig im Gespräch darauf mit „Hach ja, diese Allgemeinplätze…“ aufmerksam, so ich wieder einmal davon Gebrauch mache. Allerdings kommen diese von ihm als wenig hilfreich empfundenen Allgemeinplätze meist nicht in der „man“-Verallgemeinerung vor, sondern speziell auf ihn als Person gemünzte Aussagen zum Thema „notwendige Änderung seiner Sichtweise“ weg von rein logischem Kopfdenken respektive Kopfkarussel hin zu Wagnissen eingehen, Ängste überwinden und Geduld aufbringen.
Dabei nutze ich in diesem Fall gar keine wirklichen Verallgemeinerungen. Er empfindet dies nur so, da er sich eben auch gern in die Opferrolle denkt und mit einer anderen Sichtweise auf die Dinge nichts anfangen kann. Somit sind es für ihn wenig hilfreiche Verallgemeinerungen.
Ok, nun bin ich etwas abgeschweift, das Ganze hat nur noch bedingt mit dem Artikel zu tun – dennoch gab es bei mir da eine entsprechende Assoziation.
Jedenfalls guter Artikel, der ein Recht darauf hat, Beachtung zu finden.
lg Ralf
Cooler Beitrag, das hat was. Bei uns ist es so, wenn mein Mann man sagt, meint er mich, grins! Ich werde ihm sagen, er soll doch ich, statt man verwenden, ;-) und nicht immer alles abschieben!
Liebe Grüsse,
Bettina