„Morgen fange ich an“ – warum wir unsere Zukunft optimistischer sehen, als sie ist

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Wenn ich auf Reisen war und Zeit zum Reflektieren hatte, malte ich mir häufig die rosigste Zukunft aus. Ich würde mich endlich gesund ernähren, regelmäßig ins Fitnessstudio gehen, Vereinen beitreten, ein Instrument erlernen, neue Projekte angehen, Bücher lesen und auch schreiben. Das alles würde ich tun, sobald ich wieder zu Hause wäre. Daran bestand kein Zweifel. Allein die Vorstellung fühlte sich so gut an!

Doch als ich nach Hause kam, verflog meistens die Euphorie. Wider Erwarten hatte ich doch noch Lust auf Süßigkeiten, aber nicht auf Sport. Das Instrument zog mich plötzlich nicht mehr an, und ein Buch zu schreiben war ganz schön viel Arbeit. Die Realität konnte mit meiner Phantasie nicht mithalten. Ich war in eine Falle getappt. Die Zukunftsoptimusmus-Falle.

Wir Menschen betrachten uns selbst als zwei Personen. Wir unterscheiden unser jetziges Ich von unserem zukünftigen Ich. Das Gegenwarts-Ich hat seine Schwächen. Es ist etwas zu bequem, manchmal müde, angespannt, hat Lust auf Schokolade und keine Zeit. Aber unser Zukunfts-Ich ist anders. Es ist besser! Es wird sich gesünder ernähren, Sport treiben, aufgeschobene Arbeit endlich anpacken, Bücher lesen und die Ruhe selbst sein. Wenn wir an unser zukünftiges Ich denken, sind wir geradezu euphorisiert. Mit unserer Vorstellungskraft empfinden wir vorsorglich schon mal all die positiven Gefühle, die wir mit unserer rosigen Zukunft verbinden. Wir sind fest überzeugt: „Morgen fange ich an!“

Diesen Optimismus brauchen wir, um morgens aus dem Bett zu kommen. Wir wollen uns schließlich auf etwas freuen. Allerdings schwächt dieser Optimismus auch unseren Willen, denn das gute Gefühl, das wir mit unseren Zielen verbinden, empfinden wir ja schon, wenn wir nur daran denken. Den lästigen Teil – die eigentliche Umsetzung – verschieben wir lieber auf morgen.

Aber du weißt ja was morgen ist. Morgen ist wieder heute. Nichts ist anders. Du bist der gleiche Mensch. Die Schokolade schmeckt immer noch besser als die Karotte. Der Fernseher ist spannender als das Buch. Das Sofa bequemer als die Sportklamotten. Das ist „morgen“ so, genauso wie „nach dem Urlaub“ oder „ab dem 1. Januar“.

Es gibt nur eine Möglichkeit, dieser Falle zu entgehen: Wenn du dich dabei erwischst, wie du große Pläne für morgen, nächste Woche oder nächstes Jahr schmiedest, stelle dich deinem Selbstbetrug. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen kann ich immer besser einschätzen, dass ich mich einer Träumerei hingebe, die wahrscheinlich nie Realität werden wird. Dann nehme ich die Idee selbst nicht so ernst oder aber mache den einzig wahren Reality-Check: Ich beginne sofort mit der Umsetzung, auch wenn es gerade nicht so gut passt.

Als ich 2010 in den USA unterwegs war, begann ich von einem Tag auf den anderen mich gesünder zu ernähren, obwohl das dort nicht leicht und auch nicht billig war. Ein Jahr später reiste ich durch Peru, als ich das Buch „Tiere Essen“ las und wusste: Wenn ich nicht sofort auf Fleisch verzichte, mache ich es nie. Also begann ich damit in Peru – einem Land, auf dessen Speisekarten kaum vegetarische Gerichte stehen. Vor zwei Jahren nahm ich spontan auf einer Reise erstmals Gitarrenunterricht. Für ein paar Monate übte ich zu Hause weiter. Ich bin nicht dran geblieben, weil es sich nicht so gut anfühlte wie in meiner Vorstellung. Doch das konnte ich nur erfahren, indem ich es probierte, anstatt in meiner Phantasie „Wonderwall“ am Lagerfeuer zu spielen.

Wenn du Joggen willst, geh heute raus, auch wenn es scheint. Wenn du weniger Zucker verzehren möchtest, trinke ab sofort kein süßes Getränk mehr. Wenn du häufiger kochen möchtest, mach es gleich heute Abend, auch wenn du „keine Zeit“ hast. Nimm dir nichts vor, sondern mache. Nur so wirst du erfahren, ob sich die Realität so gut anfühlt wie in deiner Vorstellung. Es ist der einzige Weg aus der Falle.

Deine Zukunft beginnt jetzt.


Inspiriert durch das Buch „Willensstärke“ von Reinhold Stritzelberger und Peter Gerst. Passt auch dazu: Warum wir Dinge aufschieben, die uns am Herzen liegen.

Foto: Frau in Hängematte von Shutterstock

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